
Zahnimplantat 2019: Wo stehen wir heute? Keramik oder Titan? Wie lange hält ein Implantat tatsächlich?
Fakten, Trends und ein dokumentierter Fall
Es ist wie mit vielem. Oft fängt es klein an. Etwas Karies, eine kleine Füllung. Wurde aber nicht ganz alles Karies entfernt, frisst es sich unter der Füllung weiter, Sekundärkaries nennt man das. Hartnäckig. Es kommt zur Krone, zur Wurzelbehandlung und – nervtötend im wahrsten Sinne des Wortes – im schlimmsten Fall zum Zahnverlust. Aber natürlich muss nicht nur dieses worst case szenario dazu führen, dass man eines Tages vor der Frage steht. Brauche ich tatsächlich ein Zahnimplantat? Die Lücke, die durch einen Zahnverlust entsteht, kann man auf verschiedene Arten ergänzen. Kommt eine Brücke, bei der die Nachbarzähne angeschliffen werden, nicht in Frage, kann man in die Lücke einen „Pfeiler“ bohren, eben ein Implantat. Bereits in den 1980Jahren wurden die ersten Titan-Implantate in den Kieferknochen gesetzt.
Verkaufszahlen Zahnimplantat
Implantieren gehört nun zum daily business. Mischa Häfelfinger, Country Manger Switzerland des Implantat Herstellers Straumann, kennt den Markt und berichtet mir, dass in der Schweiz jährlich 75’000 Zahn Implantate gesetzt werden, also täglich über 200 Stück. Vor 10 Jahren waren es sogar 90’000 Implantate pro Jahr. Dieser Rückgang ist unter anderem auf die verbesserte Mundhygiene zurück zu führen. Aber auch darauf, dass die Oralchirurgie technisch Fortschritte gemacht hat. Das heisst, heutzutage werden 30%weniger Zahnimplantate für die gleiche Lücken-Schliessung verwendet, erklärt Häfelfinger. Zudem müssen Implantate nicht erneuert werden.
Wir sind heutzutage soweit, dass wir sagen können, ein richtig gesetztes und gut gepflegtes Implantat hält ein Leben lang.
Mischa Häfelfinger, Country manager Switzerland Straumann
Schmerzen? Ein Fallbeispiel.
Wie geht es einem nach dem Implantieren? Schmerzen Implantate? Geschwollene Backe? Diese Ängste sind praktisch unbegründet wie unser konkretes Fallbeispiel zeigt. Wir dokumentieren hier das Setzen eines Einzelzahn Implantates im Unterkiefer. Dr.med dent Christian Ramel, Zahnarzt in der Praxis Rennweg in Zürich, braucht dafür, mit ausführlicher Patienten Information, ca 1h. Die Spritze für die örtliche Betäubung spürt man kaum. Während des Implantierens ist ein minimes Rütteln festzustellen. Danach bekommt man ein paar Schmerztabletten und kann wieder nach Hause. Ohne grosse Nachwirkungen und in diesem Fall sogar total schmerzfrei.


Zahnimplantate aus Titan oder Keramik?
In der Zahnmedizin und vorallem Oralchirurgie gibt es zur Zeit zwei Materialien, die hauptsächlich verwendet werden. Keramik/Zirkon dieses ist weiss oder Titan welches anthrazitfarben ist. In unserem Fallbeispiel wurde ein Thommen Zahnimplantat aus Titan gebraucht. Und zwar, weil metallfreie keramische Implantate noch nicht auf dem erwünschten Niveau sind. Auch Mischa Häfelfinger erklärt im Interview, dass heutzutage immer noch 90% der Implantate aus Titan seien. Aber der Wunsch nach metallfreiem Zahnersatz wird wahrgenommen und die Nachfrage steigt. Deshalb investieren auch sämtliche Implantat Hersteller viel Zeit in die Forschung und Entwicklung von metallfreien Zahnimplantaten.
Ich erwarte, dass sich in 3-5 jahren die Entwicklung von Keramikimplantaten so verbessert, dass sie gleichwertig wie die bewährten Titanimplantate sind.
Mischa Häfelfinger, Country Manager Switzerland, Straumann

Auch die Zahnimplantatfirma Nobel Biocare nimmt ein stetiges Patienteninteresse an metallfreien Implantaten wahr und ist bestrebt diesem Wunsch nachzugehen, wie mir Dr.Sandro Matter, Vice President Multi-Brand Strategy Nobel Biocare erklärt. Patienten würden die ästhetischen Vorteile von Keramikimplanten schätzen.
Und Matter ergänzt, das zwei-teilige, reversibel verschraubte (und damit zementfreie) Nobel Biocare Keramikimplantat erlaube es den Zahnärzten, den von den Titanimplantaten her gewohnten, prothetischen Ablauf beizubehalten.
Seit knapp 2 Jahren können wir Zahnärzte mit dem ersten 100% metallfreien Keramikimplantat überzeugen.
Dr. Sandro Matter, Vice President Multi-Brand Strategy Nobel Biocare
Do’s and Don’t nach dem Implantieren
Zurück zum Fall. Direkt nach dem Implantieren muss man auf heisse Getränke verzichten. Die befürchtete geschwollene Backe sowie Schmerzen treten, auch ohne Kühlpads, erfreulicherweise nicht auf. Zahnarzt Ramel empfiehlt, in den ersten paar Tagen nach dem Eingriff auf alkoholhaltige Getränke zu verzichten und während ca 2 Wochen keinen intensiven Sport zu betreiben. Zudem soll man eine spezielle antibakterielle Zahnpasta und Spülung verwenden. Also alles keine grosse Sache und weit weniger aufwändig als erwartet.
Nach 6 Tagen werden die Fäden entfernt. Dann heisst es mal abwarten. Es dauert in der Regel mindestens 3 Monate bis die Osseointegration abgeschlossen ist, also bis das Zahnimplantat mit dem Knochen zusammengewachsen ist. Dann nimmt der Zahnarzt Abdruck und schickt diesen ins Labor. Dort beginnt der Zahntechniker mit der Herstellung der Krone.
Auf das Zahnimplantat kommt das sogenannte Abutment, darauf dann die Krone, verschraubt oder zementiert. In der Regel sind auch diese Abutments aus Titan. Obwohl die Fachzeitschriften voll sind von Abutments aus Zirkon. Aber in der Praxis hat sich dieses, wegen seiner weissen Farbe ästhetisch ansprechendere Material, auch in der Prothetik noch nicht bewährt.

Metallfreier Zahnersatz- wie bewähren sich Zirkon-Abutments?
Rainer Rominger, Inhaber vom Fräszentrum Rominger beliefert ganz viele Labors in der Schweiz mit Zirkonkronen und sagt, die Nachfrage nach Zirkonabutments sei minim
Die Nachfrage nach individuellen Zirkonabutments ist gering. Zirkonabutments sind viel härter als Titanimplantate. Da kann es durch Minirotationen zu einem Abrieb kommen. Somit kann sich sogar das Implantat lockern und man muss es neu machen.
Rainer Rominger, Zirkonfräszentrum Rominger
Nobel Biocare hat eine Lösung für direkte verschraubte Fälle sowie für solche die einen bis zu 25°abgewinkelten Zugang zur Implantatbasis benötigen. Der renommierte Techniker Bertrand Thiévent, Oral Design Zürich, findet das eine elegante und raffinierte Lösung.
Das Geniale daran ist, dass die Titanbasis nicht verklebt werden muss, sondern beim Verschrauben auf das Implantat verkeilt und endgültig verblockt wird.
Zahntechniker Bertrand Thiévent, Oral Design Zürich

Thiévent schätzt den Vorteil, dass so eine Rohbrand Einprobe in der definitiven Position möglich ist. Das provisorische Verkleben von Abutment und Krone entfällt.
Weiterentwicklung
Alle Zahnimplantathersteller wie zb Nobel Biocare, Thommen, Camlog etc investieren extrem in die Weiterentwicklung von Implantaten. Gerade bei Keramikimplantaten müssen die Herstellungskosten noch massiv gesenkt werden. Aber nicht nur an neuen Materialien wird geforscht, sondern auch an der Verbesserung des Altbewährten. Die Oberflächenstruktur der Implantate ist zum Beispiel ein ständiger Prozess, da damit die Osseointegration hergestellt wird.
Periimplantitis / Die Spassbremse
Also alles ganz einfach, Zahn wird durch Implantat ersetzt und man ist ein Leben lang glücklich? Nein leider ist dem nicht so. Dies erklärt Professor Patrick Schmidlin den wir am Dentalpin in Davos getroffen haben
Wie lange hält ein Implantat tatsächlich?
Schmidlin führt weiter aus, dass 20% Prozent aller Implantat Patienten in den ersten 5 Jahren an einer Periimplantitis erkranken können. Das ist eine Entzündung des Zahnbettes beim Implantat.
Das werde dann eben nicht aufgeführt. Erfolgsausichten von 95% oder gar der propagierte lebenslange Erhalt von einem Zahnimplantat, ist also mit Vorsicht zu geniessen. Deshalb steht für Schmidlin der Erhalt des natürlichen Zahnes an erster Stelle.
Kosten
Ein reguläres Titan Zaihnmplantat kostet in der Schweiz ohne Knochenaufbau ca Fr. 4000.– . Keramikimplantate sind wesentlich teurer.
Fazit
Für den Patienten ist das Setzen von Zahnimplantaten angenehmer geworden in den letzen Jahren. Auch Raucher können Implantate bekommen, was vor 10 Jahren noch als Kontraindikation galt. Hier muss man allerdings anfügen, dass die Prognosen bei Rauchern schlechter sind, wegen der grösserer Gefahr von Periimplantitis.
Materialtechnisch stellen wir fest, Implantate 2019 sind zwar noch hauptsächlich aus Titan, aber das wird sich bald ändern können.
Mischa Häfelfinger, Country Manager Switzerland, Straumann
Keramische Implantate, Schrauben und Abutments sind zwar erhältlich, aber immer noch ein Nischenprodukt und haben insbesondere in der prothetischen Versorgung noch Aufholbedarf.
Die Konkurrenz Nobel Biocare fasst es so zusammen:
Keramik ist ein spannender, zukunftsweisender Schritt für uns. Wir erwarten in diesem Bereich signifikantes Wachstum
Dr. Sandro Matter, Vice President Multi Brand Strategy, Nobel Biocare
Meine Meinung zu Zahnimplantat 2019
Wie Professor Schmidlin gesagt hat, der Erhalt des eigenen Zahnes sollte im Vordergrund stehen. Wenn es aber nicht anders geht, dünkt es mir wichtig, dafür den richtigen Chirurgen zu haben.
Genau wie bei allen chirurgischen Eingriffen macht die Übung, oder eben Praxis den Meister.
Deshalb ungeniert nachfragen, wie viele Implantate setzt man in dieser Praxis? Fotos von Fällen sind auch immer hilfreich. Aber noch besser, es gar nicht erst soweit kommen zu lassen. Also den Zähnen Sorge tragen!
Anlaufstelle bei Fragen
Wer unsicher ist und Fragen zum Thema Zahnimplantat 2019 hat, dem sei die Implantatstiftung Schweiz ans Herz gelegt. Unter dem Patronat von Prof.Dr. Dani Buser findet man dort Rat. Pro Woche melden sich 3-4 Leute telefonisch mit Fragen. Viele Antworten gibt es schon auf der Webseite:
http://www.implantatstiftung.ch
https://labor-gredig.ch/kontakt-wie-sie-uns-erreichen
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